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Estland

Auf Grund der vielen Schiffspassagen war diese Reise schon lange in Voraus geplant. Das Ziel war die FIM-Rally in Tartu / Estland, doch der Weg dahin sollte uns zuerst über Schweden und Finnland führen, wo wir in Hyvinkaä , ca. 70 Kilometer nördlich von Helsinki, noch das Meritum-Treffen besuchen wollten. Doch nun mal langsam: Wer sind wir?

Wir waren in diesem Fall eine kleine Fraktion des Opladener Motorrad Clubs der schon seit einigen Jahrzehnten sein Unwesen in einem Umkreis von 5000 Kilometern um das Örtchen Opladen treibt und dessen Mitglied ich seit 1996 bin. Die Gruppe bestand aus vier Kerlen, die mit Ruhe, Souveränität, Sicherheit und absoluter Gelassenheit auf die Reise gingen, wie Männer das halt tun, und zwei Mädels, die ab und zu für die klassischen kleinen Zickeneinlagen sorgten, die für so eine Reise offensichtlich zwingend erforderlich sind aus Frauensicht, sich aber ansonsten sehr wacker gehalten haben. Naja, ganz so souverän waren die Kerle nun auch nicht, der eine oder andere zickte dann schon mal, natürlich nur aus dem reinen Beweggrund der Solidarität zu den Mädels mit, aber das ist eine andere Geschichte, die ich, da dem männlichem Geschlecht zugehörig, auch unter Folter nicht erzählen werde.

Unser erstes Ziel war wie gesagt das Meritum Treffen in Hyvinkää / Finnland. Meritum, das ist ein Vortreffen zur FIM-Rallye, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Es findet, wie die FIM-Rally, jedes Jahr in einem anderen Land statt, meistens so günstig gelegen, dass man es auf dem Weg dorthin gut anfahren kann. Teilnehmen dürfen an diesem Treffen nur die mit einem Meritum Abzeichen, also die, die schon an mindestens 5 FIM-Rallies teilgenommen haben. Doch diese Regel sieht man in den letzten Jahren, wahrscheinlich auf Grund der sinkenden Teilnehmerzahlen, nicht mehr ganz so eng.

Wir machten uns also auf den Weg nach Travemünde, von wo wir nach Trelleborg in Schweden übersetzten. Im Vergleich zu den Superfast Ferries,. die ich gerne für meine Reisen nach Griechenland in Anspruch nehme, glich die Nils Holgerson einem größeren Fischerboot. Doch das Schiff war in Ordnung und es führte am Heck, irgendwo auf den oberen Decks, ein kleines Schlaraffenland mit sich. Eine Restaurant, in dem wir ein Buffet genossen haben, dass ich anderswo so noch nicht erlebt habe. Für ein paar Euros konnte man sich durch die feinsten Speisen futtern , die Getränke inklusive und ich fühlte mich wie die legendäre Made im Speck. Gut gesättigt und guter Laune kamen wir somit am nächsten Morgen in Trelleborg an, von wo ein recht langweiliger Ritt nach Stockholm begann. Schließlich mussten wir schon am Abend die Fähre von Stockholm nach Turku in Finnland erreichen. Immerhin 649 Kilometer waren zu bewältigen. Eine recht ermüdende, weil sehr monotone Fahrt durch die schwedische Waldwüste, noch dazu über die Autobahn, da die Zeit etwas drängte.

Da ja über 7 Stunden nichts anderes zu tun war, als auf den Vordermann zu achten und ab und zu in den Rückspiegel zu schauen, lies ich meine Gedanken schweifen. Ich erinnerte mich an die FIM-Rally in Falun damals, es war jetzt das zweite mal, dass ich in Schweden war. Und wieder kam ich zu dem gleichen Schluss, hier brauchst Du nicht mehr hin. Zwar war das Wetter dieses mal sehr schön, damals hatte es 10 Tage nur geregnet, aber Schweden ist nicht meine Welt, eigentlich ganz Skandinavien nicht. Ich merke doch immer wieder, dass ich eher ein Sonnenmensch bin, der den Süden Europas bevorzugt. Mögen mir die Skandinavienfans bitte verzeihen.

Wir erreichten Stockholm rechtzeitig, mussten sogar eine Weile auf die verspätete Fähre warten und begaben uns dann an Deck um in Richtung Finnland in See zu stechen. Die Ausfahrt aus dem Hafen von Stockholm ist einfach wunderschön. Vorbei an hunderten kleiner Inselchen geht es hinaus aufs Meer. Bei Sonnenuntergang eine faszinierende Fahrt. Leider habe ich an diesem Tag mehr Video-Aufnahmen gemacht, so dass hiervon keine Bilder existieren. Heute, wo ich diesen Bericht schreibe ärgere ich mich darüber und der Gedanke reift, mir neben der Spiegelreflex doch noch so eine kleine Pocket Kamera zu gönnen, die ich in der Hosentasche mitführen kann. Es ist doch recht mühsam die komplette Fotoausrüstung mitzuschleppen.

Früh am Morgen kamen wir dann in Turku an und machten uns nach dem Sammeln und dem Konsum von 23 Zigaretten auf den Weg nach Hyvinkää. Sammeln mag sich der Leser jetzt fragen, bei 6 Leuten? Nun man kann es nicht wissen, als Außenstehender, aber der OMC ist immer in der Lage sich zu verlieren auf dem Weg irgendwohin. Wir kommen zwar immer zusammen an, aber auf dem Weg sind oftmals einige Suchmanöver von Nöten um die Mannschaft wieder zu einer Gruppe zusammenzuführen. Diese Kunst, uns gegenseitig zu verlieren haben wir dermaßen perfektioniert, so dass sie uns sogar gelingt, wenn wir nur mit zwei Motorrädern unterwegs sind. Ich weiß, der eine oder andere Club wird jetzt vor Neid erblassen und ich muss gestehen, wir sind auch sehr stolz auf dieses Talent. Aber wie immer haben wir uns gefunden und fuhren dann über die Landstraße nach Hyvinkää. Obwohl mir, wie schon erwähnt Skandinavien nicht so liegt muss ich hier ganz offen sagen, dass mir Finnland doch viel interessanter vorkam als Schweden. Wo es in Schweden auf dem Weg nur Wald zu sehen gab, gab es hier auf dem Weg nach Hyvinkää immerhin Wald zu beobachten. Ich war fasziniert. Dann ist mir noch aufgefallen, das der Elch auf den Verkehrsschildern in Schweden das hintere linke Bein anders hält als der Elch auf den Verkehrsschildern in Finnland. Es ist schon erstaunlich, was man sich beim Motorradfahren durch Wälder alles für unsinnige Gedanken machen kann.

Gegen Mittag erreichten wir dann das Meritum Treffen. Es fand auf dem Gelände eines Kongresszentrums oder so was ähnlichem, am Stadtrand von Hyvinkää statt. So einige Teilnehmer aus allen Herren Länder waren bereits eingetroffen und das multinationale FIM-Feeling kam so langsam bei mir auf. Wir bauten eine schöne Zeltstadt mit gemütlicher Sitzecke in der Mitte, kochten den ersten Kaffee und ließen für den Rest des Tages Gott einen guten Mann sein.

Die Tage verliefen recht ruhig. Der Veranstalter hatte sich leider sehr wenig Mühe gegeben. Das Abendessen war recht monoton über die drei Tage. Das Abendprogramm, das normalerweise auf dem Meritum Treffen recht gut ist, war hier äußerst lieblos organisiert. So durften wir am ersten Abend zwei stark gealterten Damen auf dem Akkordeon zuhören und am Tage der Siegerehrung den Los tres Cabalieros del Elch oder so. Drei Gitarrenspieler, die von Tisch zu Tisch gingen und dreistimmig herzzerreißende Lieder sangen. Normalerweise wäre das Programm für uns kein Problem gewesen. In solchen Fällen ziehen wir uns gerne mit ein paar Büchsen Bier ans Zeltlager zurück und machen uns einen gemütlichen Abend. Doch schon am ersten Abend sollten wir schmerzlich erfahren, daß das hier in Finnland nicht ganz so einfach ist. Petra hatte mich gefragt, ob ich mir mit Ihr eine Flasche Wein teilen würde beim Essen. Der Blick in die Weinkarte, vor allem auf die Spalte mit den Preisen, lies mich aber sehr schnell Abstand von diesem Wahnsinnsgedanken nehmen. Ich entscheid ich mich für die günstigere Variante und bestellte ein Bier. Ich habe jeden Tropfen der 0.33er Büchse zu 4,50 Euro wie teuren Cognac genossen. Doch auch dieses Problem haben wir lösen können. Die Damenfraktion des OMC machte irgendwo einen Getränkeladen ausfindig, wo es eine Flasche Whisky zu gerade mal 12 Euro zu erwerben gab. Ein recht seltsamer Tropfen mit eigenartigem Geruch, doch vermengt mit Cola konnte man ihn nach dem dritten Glas und tauben Geschmacksnerven recht gut trinken. Allerdings hat seit diesem Meritum Treffen meine Sehstärke sehr stark nachgelassen, was meinen örtlichen Optiker sehr erfreut hat.  Bestimmt auch so ein Skandinavien Fan, dieser Optiker. Ob meine schleichende, gottseidank nur temporäre Erblindung nun auf den finnischen Fusel zurückzuführen ist, konnte wissenschaftlich nicht erwiesen werden, ich bin davon aber überzeugt.

Das Tagesprogramm war geringfügig besser. Am ersten Tag ging es in ein Freilichtmuseum. Auf dem Rückweg haben wir uns entschieden an einem der vielen Seen. die wir auf der Hinfahrt gesehen hatten und  die es dort an jeder Ecke gibt - ich glaube jeder Finne besitzt 3 Stück davon - eine kleine Schwimmeinlage einzulegen. Schnell hatte Bernd sein Navi auf besagten See eingestellt und fuhr los. Offensichtlich hatte er den kürzesten Weg gewählt, was in Finnland nicht gerade eine gute Idee ist, wenn man auf Motorrädern der sportlicheren Kategorie unterwegs ist. Er bog ab und sehr schnell verließen wir die asphaltierte Straße um auf Schotterpisten im Schneckentempo den See zu suchen. Ich bin Bernd so dankbar für diese Enduro-Einlage, weil mir schlagartig bewusst wurde, welchen Spaß man auf solchen Straßen mir der GS haben kann. Weniger erfreut waren die ZZR und Fireblade Fahrer unter uns, die auch recht bald ein übleres Gezicke an den Tag legten, als es unsere Damen das jemals können werden.

Es war wieder vollbracht, Bernd und Nicole waren irgendwo auf den Waldwegen verschwunden, wieder einmal hatten wir uns verloren. Der Rest von uns fuhr wieder auf die Hauptstraße zurück - sehr zu meinem Bedauern - Wir entscheiden uns am nächsten See - schließlich gibt es sie ja alle 500 Meter in Finnland - Halt zu machen und ohne Bernd und Nicole schwimmen zu gehen. Der See zeigte sich recht bald auf der linken Seite und siehe da... da stand auch schon die CBR und die Transalp mit dem Leverkusener Kennzeichen, der OMC war wieder vereint.

Am nächsten Tag folgte noch eine kleine Parade aller Teilnehmer durch das Städtchen mit anschließendem Besuch eines Eisenbahnmuseums. Ganz nett das alles, doch auch hier wieder recht lieblos organisiert. Ein ganzer Tag in einem Eisenbahnmuseum ist für Motorradfahrer doch etwas zu viel des Guten, auch wenn es für eins zwei Stündchen recht interessant sein mag.

Irgendwann hatten wir die Hoffnung aufgegeben, das die Veranstalter noch etwas aufregendes auf die Beine stellen würden und entschieden uns im Alleingang, per Bahn, - nein nicht mit der auf dem Foto rechts - Helsinki zu besuchen. Eine recht interessante Stadt mit einigen Sehenswürdigkeiten. Wir verloren uns ausnahmsweise mal nicht, machten noch eine Rundfahrt mit dem Schiff, aßen in einem ziemlich schmierigem Restaurant und waren so langsam, ich für meinen Teil zumindest, recht froh, dass es nun weiter nach Estland ging. Irgendwie war das eines der schlechtesten Meritum Treffen, die ich erlebt habe. Wenn man die recht hohen Nenngebühren betrachtet, schon eine Frechheit, was die Finnen uns allen da zugemutet haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Endlich war die Zeit zum Packen gekommen. Schnell war alles wieder verstaut und wir machten uns auf den Weg nach Helsinki, von wo wir die Fähre nach Talin nehmen wollten. Natürlich taten wir auf dem Weg dorthin sofort das, was der OMC am besten kann, wir verloren uns wieder einmal. Nicole hatte das dringende Bedürfnis anzuhalten... nein nicht was ihr denkt, sondern zu fotografieren, was dem Rest nicht aufgefallen war. Somit begab sich Bernd auf die Suche nach ihr, Eugen samt besserer Hälfte war anderweitig verloren gegangen und ich fuhr mit mit Petra weiter Richtung Helsinki. Dank moderne Kommunikationsmöglichkeiten fanden wir uns am Ortseingang wieder und verbrachten drei wunderschöne Sonnenstunden auf dem Deck der Fähre um dann Talin zu erreichen. Auf dem Deck machte ich mir ein paar Gedanken zu Estland. Vor meinem geistigen Auge sah ich mich jetzt das erste mal in die ehemalige Sowjet-Union reisen, was mir sehr aufregend und abenteuerlich vorkam. Ich sah kleine Dörfer, eigenartige Autos, Pferdegespanne auf Schotterpisten und all das, was sich der schlecht informierte Wessi halt unter Ostblock vorstellt. Doch die Fantasie lag wieder einmal, zumindest was Talin betrifft  voll daneben. Talin ist eine recht moderne Stadt, für die Verhältnisse dort, die Tankstellen zum Beispiel sehen nicht anders aus als bei uns, eigentlich nichts aufregendes dabei.

Von Talin aus machten wir uns auf die knapp 200 Kilometer lange Fahrt in Richtung Süden, nach Tartu, wo die 60. FIM-Rally stattfinden sollte. Eine wunderschöne langweilige Fahrt, schnurgeradeaus, fast die gesamten 200 Kilometer lang nicht eine Kurve und ihr werdet nicht glauben, was es dort zu sehen gab: Wald. Und wie immer wenn ich in diesen Breitengraden durch die Wälder fahre, nutze ich die Zeit um die Elch-Verkehrsschilder zu analysieren. Der in Estland hat einen weißen Hintergrund, einfach faszinierend diese Vielfalt. In meinen Gedanken freute ich mich aber auch auf die FIM, vor allem auf das Wiedersehen mit den vielen Bekannten aus diversen Ländern, Menschen die ich im Laufe der Jahre auf den Rallies kennengelernt habe. An dieser Stelle ist es wohl recht sinnvoll ein paar Hintergrundinformationen über die FIM zu geben. Wie in einer guten Kochsendung haben wir das bereits vorbereitet: Infos zur FIM-Rally

Wir erreichten Tartu am frühen Abend und bauten unsere Zelte in Deutschland auf. Also nicht ganz so, aber dennoch auf dem, den deutschen Teilnehmern zugewiesenen Fleckchen Erde auf dem Gelände. Jede Nation hat ihr eigenes kleines Territorium auf den FIM-Rallies, so auch wir.

 

 

 

 

 

 

 

 

Es waren die Tage vor der offiziellen Eröffnung und somit bleib uns Zeit noch ein paar Unternehmungen auf eigener Faust in Angriff zu nehmen. Nach der Eröffnung bleibt den Teilnehmern der FIM dazu wenig Zeit. Animiert von Bernds Enduro Einlage in Finnland entschloss ich mich am nächsten Tag alleine auf Tour zu gehen. Ich wollte doch mal schauen, ob es nicht die eine oder andere Schotterpiste zu fahren gab und ich wollte mir auch das Umland anschauen. Kartenmaterial für mein Navi hatte ich über Estland keins finden können, somit fuhr ich, wie früher, nach Papierkarte. Schon wenige Kilometer von Tartu entfernt wurde der Straßenbelag schlechter und dann landetet ich irgendwann auf den heiß ersehnten Schotterpisten. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass so ein Straßenbelag mit der GS so einen Spaß machen kann. Das Umland von Tartu ist recht dünn besiedelt. Ab und zu kam ich durch ein Dorf, meist eine Ansammlung von ein paar Häusern nur, manchmal mit einer dieser Holzkirchen in der Dorfmitte. Ein Cafè oder Ähnliches suchte ich allerdings vergebens und so beschränkte ich mich aufs Fahren, Fotografieren und Staunen. Im Vergleich zu Talin war alles hier im Hinterland doch so, wie ich mir die ehemalige Sowjetunion vorgestellt hatte. Irgendwie war es wie eine Zeitreise, ich hatte das Gefühl 30-50 Jahre in die Vergangenheit zurückgefahren zu sein.  Ich genoss die ca. 300 Kilometer lange Tour sehr und freute mich darüber, aß ich mich beim letzten Motorradkauf für die GS entschieden hatte. Mit der FJR wäre auf diesen Straßen wenig Freude aufgekommen. Ich fand schöne Seen mit unberührter Natur. Ich machte mehrere Pausen an den Ufern, genoss die Ruhe und Einsamkeit, konnte viele Wasservögel beobachten. Alles in allem war dieser Tag sehr beeindruckend für mich, wenn auch ich sehr bald zu der Erkenntnis kam, dass Estland nicht gerade das Land ist, in das ich im nächsten Urlaub fahren würde. Gegen Nachmittag kehrte ich auf das Gelände der FIM-Rally zurück, um ein paar Eindrücke reicher, Eindrücke die in die große Schatztruhe abwandern, die ich schon in meinem Bericht “Grenzerfahrung” erwähnt hatte.

 

Am Tag drauf gab es eine Geführte Motorradtour zu einem Nationalpark. Ein Moorgebiet, welches man auf hölzernen Stegen von mehreren Kilometern Länge durchqueren kann. Eine nette Dame gab uns im Vorfeld die eine oder andere Information über das Moor und schickte uns dann auf die Reise. Offensichtlich hatten wir ihr nicht richtig zugehört, oder aber sie hatte ein ganz wichtiges Detail vergessen. Die Holzstege führen nämlich zu einem Aussichtsturm. Jetzt im Nachhinein weiß ich, dass die Idee der Veranstalter gewesen ist, dass wir an diesem Aussichtsturm umkehren und zu den Motorrädern zurückkommen. Wie die Lemminge jedoch liefen wir dem ersten der Gruppe hinterher, wir kletterten auf den Aufsichtsturm, kletterten wieder runter und folgten weiter dem Steg in die unendlichen Tiefen des Moors. Nach mehreren Kilometern endete der Steg, wir kamen durch Wälder, durchquerten Steppenartiges Gelände, das alles in strömenden Regen. Manche von uns in Motorradkleidung, andere in kurzen Hosen und Sandalen, nass bis auf die Unterwäsche. Über Stunden ging das so, mir kam es vor wie mehrere Tage. Nach meinem empfundenen Zeitgefühl, schickte der Veranstalter nach mehreren Wochen - in Wirklichkeit müssen es 2-3 Stunden gewesen sein - jemand auf dem Mountainbike durch die Steppe, der uns dann den richtigen Weg zurück zu den Motorrädern wies. Wir zickten, vollkommen unabhängig vom Geschlecht, noch eine ganze Weile rum. Ein paar Berliner trafen die Entscheidung sich für diese Tortur bei den Esten zu rächen auf der FIM 2006, die ja bekanntlich in Berlin stattfinden wird. Der Racheplan war, speziell für die Esten, eine Spreewaldtour von mehreren Kilometern zu veranstalten, schwimmend natürlich, wie man mir beteuerte. Zurück auf dem Gelände der FIM beruhigten sich die Gemüter allerdings wieder, wir kamen zu der Erkenntnis, dass wir vielleicht auch nicht richtig zugehört hatten bei der Einweisung und somit dürfen die Esten nächstes Jahr den Spreewald aus dem trockenen Boot heraus bestaunen.

Die FIM wurde tags drauf offiziell eröffnet, nachdem wir die übliche und wie immer sehr beeindruckende Zieleinfahrt hinter uns gebracht und die Motorräder auf dem Park Fermè abgestellt hatten. Der Ort für die Zieleinfahrt war genial gewählt. Die einzelnen Nationen fuhren in eine Art kleines Theater, ich vermute mal, eigens errichtet um zu sowjetischen Zeiten Paraden oder ähnliches abzunehmen. Dort wurden die Nationalhymnen gespielt und man konnte das ganze Spektakel sehr schön von der Tribüne beobachten. Dort verweilten wir den ganzen Vormittag, beobachteten die einzelnen Länder bei der Einfahrt, meine Freunde, die Griechen, beobachteten auch, allerdings die wunderschönen Estnischen Frauen, und gegen Nachmittag kehrten wir dann auf das FIM-Gelände zurück, wo uns eine recht schöne Vorstellung von diversen Volkstanzgruppen dargeboten wurde und ein kleines Rahmenprogramm geboten wurde.

Um noch einmal darauf zurückzukommen, und obwohl ich mich für  fremde Frauen recht wenig interessiere, da äußerst verliebt in meine eigene Herzdame, möchte ich doch erwähnen, dass die Damen in Estland, fast ausnahmslos, von einer bemerkenswerten Schönheit sind. Überhaupt empfand ich die Esten, Männer und Frauen, als einen sehr schönen und angenehmen Menschenschlag. Dazu hat sicherlich auch die Herzlichkeit und Freundlichkeit dieser Menschen beigetragen. Fast ausnahmslos jeder Einheimische auf der Veranstaltung begegnete uns mit einem freundlichen Lächeln, was viele organisatorische Unwägbarkeiten wieder wett machte. Auch bewies man ein recht gut ausgeprägtes Improvisationstalent. Engpässe bei der Verpflegung, lange Schlangen bei der Essensausgabe, alles wurde umgehend sehr schnell abgestellt, indem man stehenden Fußes umorganisierte. Sehr innovativ fand ich die Duschkabinen, die aus einfachen schwarzen Plastikfolien hergestellt worden waren. Im Vergleich zu anderen Rallies, die durch perfekte Infrastruktur glänzten, war hier alles etwas einfach gehalten, was ich aber nicht unangenehm empfunden habe.

Am nächsten Morgen hieß es sammeln und in die bereitstehenden Busse einzusteigen. Es ist immer ein kleines logistisches Wunder, wie die 1000-2000 Teilnehmer der Rally mit Bussen an einen sehenswerten Ort gefahren werden. Diesmal ging es zu einer Burg, auf der das Leben des Mittelalters bestaunt werden konnte. Im Burghof gab es verschiedene Stände, Handwerker aller Art, es wurden Schwert- und andere Kämpfe aus der Zeit vorgestellt. Das ganze untermalt von einer Band, die eine sehr interessante Musik spielte, ich ärgere mich keine CD gekauft zu haben. Es war ein sehr interessanter Tag, es gab viel zusehen und die Zeit verflog recht schnell. Nur die Busfahrt war halt etwas monoton, ihr wisst schon, es ging über schnurgerade Straßen durch Wälder und Moorgebiet. Und somit nutzte der eine oder andere die Zeit, um den fehlenden Schlaf der vergangenen Nächte nachzuholen. Ich glaube fast jeder ist in diesen Bussen eingeschlafen, wenn mich nicht alles täuscht habe ich auch den Busfahrer dabei ertappt.

 

 

 

 

 

 

Der Abend verlief wie immer auf der FIM, Abendessen, Bands, Rahmenprogramm, Party und so wurde es spät, oder besser gesagt früh, bis wir in der eisigen Kälte in unseren Schlafsäcken lagen und ein paar Stunden auszuruhen für das größte Ereignis jeder FIM-Rally, die Parade der Nationen und der anschließenden Siegerehrung am Abend. Die Parade ist ein überwältigendes Ereignis. Alle Teilnehmer schmücken ihre Motorräder mit den jeweiligen Nationalflaggen und stellen sich nach Nationen geordnet auf. Dann folgt ein Korso von mehreren Kilometern Länge durch die Stadt. Tausende Menschen stehen am Straßenrand und jubeln den vorbeifahrenden Motorradfahrern zu. Es ist für mich , auch nach 7 Rallies, immer noch so faszinierend, wie beim ersten mal als ich in Krakow an einer FIM teilnahm. Anders als sonst endete die Parade in der Stadtmitte, wo uns auf einer Bühne noch ein Programm geboten wurde. Auch hatten die Berliner hier die Möglichkeit sich als Veranstalter der 61. FIM 2006 kurz vorzustellen. Ich fand diese Idee der Esten sehr gut. Normalerweise endet die Parade auf dem Campingplatz, wo sich ziemlich schnell alles wieder verläuft.

Am Abend folgte dann die Siegerehrung und das übliche Spiel, bei dem die einzelnen Länder versuchen Ihre Landesfahne höher zu schwingen, als alle anderen. Es ist immer wieder faszinierend, was sich die Dänen, Schweden und Finnen dabei einfallen lassen. Abenteuerliche Mastkonstruktionen von mehreren Metern Länge werden improvisiert gebaut, man klettert auf die Tische, nimmt einen Kollegen huckepack dabei... alles nur um die eigene Fahne einen Millimeter höher zu halten, als alle anderen. Wir Deutschen lassen uns von dieser Euphorie natürlich nicht mitziehen, sondern sitzen gelangweilt an den Tischen, in den meisten Fällen haben wir nicht einmal eine Fahne dabei bei der Siegerehrung. Auch verkleiden sich die anderen Nationen in selbstgenähten Kostümen in den jeweiligen Landesfarben, während wir uns damit begnügen die offiziellen FIM T-Shirts zu tragen. Was sind wir nur für ein langweiliges, blutarmes Volk. Wir täten gut daran etwas mehr Humor und Temperament zu entwickeln bis zur FIM 2006, wenn nicht befürchte ich, das man man noch viele Jahre über das Fiasko von Berlin sprechen wird. Aber ist ist ja noch ein wenig Zeit zur Besinnung bis dahin.

Es wurde ein langer Abend, Deutschland stellte sich offiziell als Veranstalter der Nächsten FIM vor, was allerdings niemand im Saal so richtig registriert hat. Man hatte es versäumt die Lichter auszuschalten, den Fokus auf die Bühne zu lenken, und somit nahm die Vorstellung mit Berliner Bären und eigens eingeflogener Drehorgel den Stellenwert eines Pausenfüllers ein, leider. Dennoch wurde es ein schöner langer Abend, so das wir recht verkatert am nächsten Morgen unsere Zeltstadt wieder auflösten um uns auf den Weg nach Talin zu machen. Dort bestiegen wir die FIN-Jet und genossen noch eine letzte Schiffsreise nach Rostock um von dort den Heimweg anzutreten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2006 findet die FIM-Rally, wie gesagt in Berlin statt. Wir Deutschen dürfen, da wir die Veranstalter sind, an dieser Rally nicht teilnehmen. Ob noch Helfer gebraucht werden, kann ich nicht sagen. Ein paar Informationen zu der 61. FIM-Rally gibt es auf der offiziellen Homepage: http://www.fim-berlin.de/

Auch der Veranstalter im Jahr 2007 steht bereits fest. Italien wird da der Gastgeber sein und wenn man sich das Temperament der itlalienischen FIM-Teilnehmer genauer betrachtet, lässt dies auf eine recht feurige Veranstaltung hoffen. Austragungsort ist Cesenatico, eine Stadt an der Adria-Küste, ein paar Kilometer nördlich von Rimini. Das dazugehörige Meritum-Treffen findet 2007 in Sion in der Schweiz statt, so dass man die Anreise gut mit einer kleinen Alpentour kombinieren kann. Sion liegt gleich neben Martigny, wo schon im Jahr 2000 eine herausragend gute FIM-Rally stattgefunden hat. Landschaftlich ist es dort wunderschön.

FIM 2007 - Cesenatico - Italien - 6.-9. Juni 2007
Meritum 2007 - Sion - Wallis - Schweiz - 1.-3. Juni 2007